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Impftechnologien oder was soll ich impfen?

Die Antwort darauf lautet zurzeit sicher: «impfe was immer – so schnell als möglich!». Leider befinden wir uns in einem tödlichen Wettkampf mit einem sich mutierenden Virus, gegen die langsam anlaufenden und bürokratisch gelähmte Europäische und Schweizer Impfbemühung. Im Moment scheint das Virus die besseren Karten zu haben. Nicht die tödlicheren Varianten sind dabei schlimm – sondern diejenigen, die sich rascher ausbreiten. Eine Simulation einer 50% tödlicheren vs. einer 50% schneller ausbreitenden Variante zeigt, dass die tödlichere Variante binnen 2 Monaten die Zahl der Toten um knapp 300 erhöhen würde, die schnellere (UK) Variante aber um mehr als 2000, bei aktuell etwa 10’000 COVID-19 Toten in der Schweiz (Simulation von Thomas Baumann). Dies zeigt mutierende Viren sind enorm gefährlich.

Was bewirken Impfungen? 

Impfungen müssen auf möglichst verträgliche Art den Körper dazu bringen eine «adaptive Immunantwort» zu generieren – mit dem Ziel coronakompetente B- und T-Gedächtniszellen zu bilden (siehe Blog Immunsystem 101). Letztere sind dann in der Lage bei einem Kontakt mit echten SARS-Cov-2 Viren, diese spezifisch und blitzschnell zu eliminieren und damit eine Systeminfektion sicher zu verhindern.

Welche Technologien gibt es dazu? 

Letztlich muss das Immunsystem unseres Körpers mit irgendwelchen Oberflächenproteinen (Antigene) des Virus konfrontiert werden, ohne, dass dabei eine Erkrankung entsteht. Im Vordergrund steht dabei das sogenannte «Spikeprotein», mit dem sich das Virus an eine menschliche Zelle andockt. Diese Antigene werden dann von dendritischen Zellen aufgenommen, den T-Helferzellen präsentiert, welche ihrerseits die Bildung von B-Zellen (Antikörperproduktion) und T-Killerzellen (Vernichtung virusinfizierter Körperzellen) induzieren. Wie bringt man die notwendigen Antigene in den gesunden Körper?

RNA Impfstoffe

  • zugelassen: Pfizer-BioNTech und Moderna
  • nicht zugelassen aber mit Kaufoption: CurVac

Diese neuen Impfstoffe enthalten den Bauplan für (Teile des) Spikeproteins des SARS-Cov-2 Virus in Form von messenger-RNA (Botenribonukleinsäure). Damit sind die bei der Impfung infizierten Wirtszellen in der Lage das Spikeprotein des Virus nachzubauen und zu exportieren, was eine komplette Immunantwort (B- und T-Zellen) auslöst.Die RNA selbst wird ausserhalb und innerhalb von Körperzellen rasch abgebaut und hat keinen Zugang zum Zellkern und zur Erbsubstanz (DNA). Damit gelten RNA Impfstoffe als sehr sicher. Das technische Problem dieser Impfstoffe ist, dass die RNA mit Hilfe von Lipid Nanopartikeln so geschützt werden muss, dass sie nicht vorzeitig abgebaut wird. Die zugelassenen RNA Impfstoffe schützen zu über 90%, haben wenig Nebenwirkungen, müssen aber aufgrund ihrer Fragilität tiefgekühlt (-20 oder -70 Grad Celsius) gelagert werden. Ein wesentlicher weiterer Vorteil dieser Impfungen ist, dass die RNA innert kürzester Zeit (Tage) an allfällige Mutationen des Virus angepasst werden kann. 

Ein grosses Potential dieser Art Impfstoffe besteht in der Krebsbekämpfung. Sie können nämlich auch RNA enthalten, welche für Antigene von Krebszellen spezifisch sind – letztere könnten dann von den induzierten T-Killerzellen getötet werden.

Zu RNA Imfpstoffen: Dolgin, https://www.nature.com/articles/d41586-021-00019-w

Nicht replizierender viraler Vektor

Bei dieser Technologie wird ein Adenovirus verwendet, welches bei Schimpansen Erkältung hervorruft. Dieses Virus ist so modifiziert, dass es statt der Information zur Selbstreplikation, den Bauplan für das SARS-Cov-2 Virus Spikeprotein enthält. Es infiziert also Wirtszellen und bringt diese dazu die Spikeproteine zu produzieren, welche für die Auslösung der Immunantwort nötig sind, ohne sich dabei selbst zu replizieren. Die Schutzwirkung des zugelassenen Impfstoffes von AstraZeneca scheint generell etwas niedriger als die Schutzwirkung der RNA Impfstoffe. Ein potenzielles Problem besteht auch darin, dass die Immunantwort auf das Vektorvirus mit der erwünschten Immunantwort auf das SARS-CoV-2 Virus interferieren kann. Der grosse Vorteil dieser Art von Impfstoffen ist, dass sie billig und einfach im Kühlschrank zu lagern sind. Sputnik V benutzt zwei unterschiedliche Vektoren für die erste und zweite Impfung. Dies ist eventuell ein Grund für die angeblich höhere Wirksamkeit (siehe Jones und Roy). Die erwünschte T-Zell Antwort, scheint bei Vektorvaccinen besser als bei RNA Vaccinen zu sein. 

Eine weiteres Vectorvaccin wurde von Janssen (Johnson & Johnson) entwickelt. Präliminäre Daten zeigen eine Effektivität von 60% gegen eine Infektion mit dem SARS-Cov-2 Virus und 85% Effektivität beim Verhindern eines schweren Verlaufs. Der grosse Vorteil dieser Impfung ist, dass sie in einer Dosis verabreicht wird.

Spikeproteine; rekombinante Vaccine

Nicht zugelassen aber mit Option: Novavax
(https://www.pharmazeutische-zeitung.de/novavax-meldet-sehr-gute-wirksamkeitsdaten-123364/; https://www.clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04583995)

Diese Impfstoffe enthalten mehrere Teile der Virusoberfläche, vor allem des Spikeproteins, welche zusammen mit Hilfsstoffen (Adjuvantien) injiziert werden. Der Körper produziert dann Antikörper gegen die injizierten Antigene. Im Allgemeinen werden bei diesen Impfstoffen nur die humorale Immunantwort, aber nicht die Killerzellen aktiviert.

Beim Impfstoff der Firma Novavax wird das Antigen des Spikeproteins des SARS-Cov-2 Virus zusammen mit einem Adjuvans in ein virusähnliches Nanopartikel (VLP) verpackt. Das Antigen wird in Insektenzellen gentechnisch hergestellt. Der Impfstoff lässt sich im Kühlschrank stabil lagern und hat eine Wirksamkeit von 90%.

Kombination von Impfstoffen

In UK wird zurzeit damit operiert entweder Impfungen zu mischen oder unterschiedliche Präparate für die erste und zweite Impfung zu verwenden. Dieser Ansatz scheint sehr vielversprechend, weil damit die Immunantwort breiter gefächert werden kann. Auch der Vorteil der RNA Impfungen, rasche und starke humorale Immunabwehr, mit dem Vorteil der Vektorimpfung, gute T-Zell Aktivierung, kann so kombiniert werden. Die UK hat in dieser Hinsicht bessere Untersuchungsmöglichkeiten, weil alle Impfungen im NHS (National Health Service) zentral erfasst werden und damit auch sofort entsprechend ausgewertet werden können. Diese Möglichkeit hat die Schweiz aufgrund eines föderalistischen Gesundheitssystems und der mangelhaften Digitalisierung nicht.

Weitere Impftechnologien, aber in der Schweiz nicht vorgesehen

Es gibt verschiedene zusätzliche Impftechnologien (einige bewährt, andere neu und zu wenig erforscht), welche ebenfalls zum Einsatz kommen könnten und für welche Studien laufen (https://www.intvetvaccnet.co.uk/blog/covid-19/vaccine-eight-types-being-tested).

Inaktivierte Viren

  • In der Schweiz nicht berücksichtigt z.B.: Sinovac Biotech und Sinopharm Group aus China

Dies sind klassische Vaccine, welche wir zum Beispiel als Grippeimpfungen kennen. Die für die Immunantwort notwendigen Antigene werden in der Form inaktivierten (abgetöteten) Viren injiziert. Diese Vaccinen sind in der Regel weniger effektiv (50-80%) sind aber in der Lage, ein grösseres Arsenal an Antikörpern zu produzieren. Bei dieser Art der Impfung ist auch nicht klar, in welchem Umfang eine T-Zell Antwort ausgelöst wird. 

Eine T-Zell Aktivierung findet bei Impfstoffen mit lediglich abgeschwächten Viren statt. Bei dieser Impfung kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass das Virus zurückmutiert und somit wieder krankheitsauslösend wird. Ein Problem besteht auch bei immungeschwächten Personen, bei denen auch ein abgeschwächtes Virus für die Auslösung der Krankheit ausreicht. Impfungen mit abgeschwächten Viren sind im Veterinärwesen weit verbreitet.

DNA-Impfstoffe

  • In der Schweiz nicht berücksichtigt: in Entwicklung bei Inovio Pharmaceuticals und Sancell Pty Ltd.

Diese Impfstoffe kamen bis jetzt nur im Veterinärwesen zum Einsatz. Sie benützen ein mit der DNA des Spikeproteins modifiziertes Plasmid (übertragbare DNA-Anteile von ungefährlichen Bakterien). Im Körper gelangt die synthetische DNA in den Zellkern, wird in mRNA übersetzt, welche dann ihrerseits im Zytoplasma der Wirtszelle das Spikeprotein, resp. Teile davon, produziert. Zur Vorsicht mahnt bei diesen Impfstoffen, dass die synthetische DNA zum Zellkern Zugang hat und ausserordentlich stabil ist. DNA kann sogar ausserhalb einer lebenden Zelle über Jahrtausende erhalten und entschlüsselt werden.

VLP-Vaccinen; Virusähnliche Partikel

  • In der Schweiz nicht berücksichtigt: in Entwicklung bei ExpreS²ion Biotechnologies und Medicago Inc.

Bei diesen Impfstoffen wird aus einer Proteinhülle, welche die rekombinant hergestellten Spikeproteine des SARS-Cov-2 Virus trägt, ein virusähnliches Partikel gebaut (VLP). Dieses enthält weder RNA noch DNA und kann sich somit auch nicht replizieren. Diese VLP sind in der Lage, eine starke humorale und T-Zell Antwort hervorzurufen. Die humane Papilloma Virus Vaccine und die Hepatitis B Impfung beruhen auf diesem Prinzip.

Fazit

Eine konsequente Durchimpfung der Bevölkerung ist der Weg aus dieser Pandemie heraus. Die verfügbaren Optionen sind gut bis sehr gut und die damit verbunden Risiken fast vernachlässigbar, vor allem in Anbetracht der Alternative einer COVID-19 Infektion mit allenfalls einschneidenden Langzeitfolgen.

Dieser Artikel ist Teil einer Blogserie über den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum Thema Coronavirus von Prof. Dr. med. emer. Hans Hoppeler.

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